Carles Puigdemont hat in einer Twitter Nachricht am 1. März 2018 auf seine Rede zum katalanischen Volk hingeweisen. Eine deutsche Textübersetzung dieser auf YouTube veröffenlichte Rede " Missatge institucional del president de la Generalitat de Catalunya" haben wir von Claudia erhalten, vielen Dank.
Videobotschaft MHP Carles Puigdemont, 01/03/2018
Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen,
mehr als zwei Monate sind vergangen seit den Wahlen, bei
denen wir klarer als je zuvor unseren Willen deutlich gemacht haben: weiterhin
die katalanische Legitimität und Legalität zu verteidigen, die der spanische
Staat zu Unrecht und auf illegale Weise attackiert, während er sich noch immer
weigert, das Votum der Katalanen anzuerkennen. Trotz der schweren
Stimmenverluste des in Madrid regierenden Partido Popular und seiner Politik
und trotz der Niederlage seiner Verbündeten, entscheidet der PP mit seinen nur
vier Abgeordneten im katalanischen Parlament weiterhin in unserem Namen
Vor fast vier Monaten wurde die Regierung, die ich leite,
willkürlich vertrieben durch einen Staatsstreich unter dem Anschein der
Verfassungsmäßigkeit. Es war der Versuch, den Willen unseres Volkes zu brechen,
über unsere Zukunft zu entscheiden. Vier Monate Gefangenschaft und Exil, vier
Monate allgemeiner Angst, willkürlicher Verfolgung politischer Überzeugungen
und Ideen; vier Monate hemmungsloser Offensive, in denen der Rechtsstaat
ausgehebelt und Grundlagen des Zusammenlebens zerstört wurden, nur, um
Katalonien zur Kapitulation zu zwingen, was ihnen trotz allem nicht gelungen
ist. Sie haben einzelnen Personen und ganzen Familien Leid zugefügt, und vor
allem haben sie den katalanischen Bürgern insgesamt geschadet, weil politische
Entscheidungen und Investitionen in Bereichen wie Sozialwesen, Kultur und
Wirtschaft blockiert wurden. Das alles nur, um ein Volk zu bestrafen, das es
gewagt hatte, ein Recht auszuüben, das der Internationale Pakt über bürgerliche
und politische Rechte der Vereinten Nationen allen Völkern dieser Erde
zuerkennt. Indem sie die Unabhängigkeitsbewegung kriminalisieren wollten, haben
sie eine wahnsinnige Offensive gegen das gesamte Land gestartet.
Heute hat das katalanische Parlament feierlich in einer
Resolution an die Legitimität seiner Beschlüsse gemahnt und die vorhandene
demokratische Mehrheit ratifiziert, um Beschlüsse zu fassen und somit das
Mandat der Wähler umzusetzen. Artikel 21 der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte besagt, dass „der Wille eines Volkes die Grundlage bildet für
die Autorität des Staates“. Das bedeutet, dass die Autorität des Staates nur
dann rechtmäßig ist, wenn sie dem Willen entspricht, den die Bürger an den
Urnen ausgedrückt haben. Ich danke den Abgeordneten der Fraktionen der CUP, der
ERC und von Junts per Catalunya, dass sie ihre Unterstützung ausgedrückt haben
für die demokratische Legitimität, die wir vertreten, und besonders für meine
Funktion als Präsident Kataloniens, die ich unter so außergewöhnlichen
Umständen ausüben muss. Diese Resolution schließt direkt an das Ergebnis vom
21. Dezember an sowie an das des Referendums vom 1. Oktober und erinnert an die
rechtswidrige Anwendung des Art. 155.
Der einzige Ausweg aus diesem politischen Konflikt ist die
Politik. Einmal mehr sind wir alle gefordert, Politik anzubieten da, wo uns die
andere Seite polizeiliche, juristische und wirtschaftliche Gewalt
entgegensetzt. Wir sind gefordert, einen Weg zu finden, um weiterhin die Werte
der Republik zu verteidigen und zu fördern, unsere demokratischen Rechte zu
vertreten, die Übergriffe des spanischen Staates anzuzeigen und zu verfolgen
und dies in der ganzen Welt bekannt zu machen. Die Welt umfassend über die
Übergriffe eines Regimes aufzuklären, das sein Staatsoberhaupt an die Spitze
einer Strategie gegen die Katalanen stellt, des unbeschreiblichen und
unvergesslichen „Gebt’s ihnen!“, ermutigt von einer Monarchie, die aus eigenem
Antrieb bereits entschieden hat, nicht länger alle ihre Bürger zu
repräsentieren, sondern nur noch jene, die ihrer Meinung sind.
Katalonien hat sich das Recht erworben, eine unabhängige,
demokratische und rechtsstaatliche Republik zu werden; dieses Ziel ist
unverzichtbar und steht über allem, was unsere Politik innerhalb und auch
außerhalb des Landes bestimmt. Nach dem Beschluss der Resolution im
katalanischen Parlament heute ist es an der Zeit, eine Reihe von Entscheidungen
bekanntzugeben, auf deren Grundlage wir das Mandat des 1. Oktober effektiv
erfüllen können.
Diese Entscheidungen erlauben es uns, den Weg hin zu einer
Republik freier Männer und Frauen, keiner Untertanen, sondern zuversichtlicher
Bürger ohne Angst, aufrechtzuerhalten und sogar weiter zu befestigen. Sie
ermöglichen außerdem die Rückgabe unserer Institutionen an unsere Bürger unter
einer Prämisse, die Madrid sich gut merken sollte: Wir werden uns nicht
ergeben, wir werden nicht aufgeben, wir werden auf nichts verzichten, so lange ihre
Argumente Gewalt, Zwang, Angst und Verletzung von Grundrechten lauten.
Die letzten Monate waren eine Schande; die katalanischen
Institutionen wurden, teils durch die sichtbaren Gewalten des Staates, teils
durch einflussreiche Interessensgruppen, widerrechtlich eingenommen ohne
irgendeine demokratische Befugnis. Die Urnen haben dieser Zwangsverwaltung eine
Absage erteilt. Der Mut, mit dem die Wähler der Angst und der Demobilisierung
die Stirn geboten haben, hat alle Bemühungen zunichte gemacht, das Votum der
Katalanen in Richtung Aufgabe und Resignation zu lenken. Mit enormem
wirtschaftlichem und medialem Aufwand wurde versucht, eine Ideologie und ihre
Vertreter zu kriminalisieren und für die Repräsentanten des Art. 155 zu werben.
Die Katalanen haben, einmal mehr, an den Wahlurnen diesen
Bestrebungen eine Absage erteilt. Darum vertrauen wir auf Lösungen, die auf
Wahlen gründen und nicht auf Gewalt. Wir sind Leute des Friedens, wir haben es
bei jeder Gelegenheit bewiesen. Sogar, als wir auf sinnlose Weise mit
Schlagstöcken und Gummigeschossen angegriffen wurden. Diese Gewaltlosigkeit
müssen wir uns auch weiterhin bewahren. Der Zusammenhalt einer Gesellschaft
entsteht nicht aus einer einheitlichen Meinung heraus, denn Meinungsvielfalt
muss möglich sein, sondern aus einem friedlichen und respektvollen
Zusammenleben; jeder Einzelne und jede Institution, die beleidigt und Gewalt
anwendet, bedroht die Fundamente des Friedens und verliert jede Autorität,
andere zu belehren.
Oriol Junqueras, Joaquim Forn, Jordi Cuixart und Jordi
Sánchez sind Vorbilder dieses Engagements für Frieden und Demokratie. Ich kenne
sie seit Jahren, teilweise seit sehr vielen Jahren. Nicht ein einziges Mal, und
schon gar nicht in Ausübung der hohen Verantwortung, die sie innehatten, hat einer
von ihnen auch nur das geringste Zugeständnis zur Gewalt gemacht. Sie waren
Referenzen eines demokratischen Kampfes mit friedlichen Mitteln. Sie waren und
sind Vorbilder politischen Engagements, Anständigkeit und gegenseitigen
Respekts. Dasselbe gilt auch für Toni Comín, Clara Ponsatí, Meritxell Serret
und Lluís Puig. Jede Minute ihrer Gefangenschaft und ihres Exils ist eine
Schande für jene, die sich für den Weg der Unterdrückung anstatt für den Weg
der Politik entschieden haben.
Nach der heutigen Entscheidung des Parlaments bekräftige ich
deshalb meinen festen Willen, die Legitimität der Republik aufrechtzuerhalten,
für die die Bürger am 1. Oktober abgestimmt haben und die das katalanische
Parlament am 27. desselben Monats ratifiziert hat. Ich werde für ihre Umsetzung
arbeiten, so lange ich die Freiheit dazu habe. In den nächsten Tagen werde ich
die Mitglieder der katalanischen Parlaments zu einer feierlichen Versammlung
zusammenrufen, um diese neue Etappe voranzutreiben und den Rat der Republik zu
gründen, der den Weg bis zur tatsächlichen Unabhängigkeit anführen und im In-
und Ausland aktiv sein wird. Der Rat wird eng mit der Regierung in Barcelona
zusammenarbeiten und die Debatten, Bewegungen und Mitwirkung der katalanischen
Gesellschaft aufgreifen, um den verfassungsgebenden Prozess zu vollenden, der
ein unerlässliches Element darstellt, um die republikanischen Werte in der
Basis des neuen Landes zu verankern.
Aus diesem Rat heraus werden wir die Verteidigung unserer
Werte organisieren und die Internationalisierung des katalanischen Anliegens
vorantreiben, denn wir sind überzeugt, dass es nur durch einen Prozess der
internationalen Mediation und Verhandlung gelingen wird, jene Rechte
durchzusetzen, auf die wir uns stützen und die der spanische Staat uns
gewaltsam verweigert. Ab jetzt beginnt eine neue Phase, in der wir unsere
Rechte aktiv verteidigen werden mit einer politischen und juristischen
Offensive auf internationaler Ebene, damit der spanische Staat nicht länger
unsere gemeinschaftlichen und individuellen Rechte mit Füßen treten kann.
In diesem Sinne hat heute Nachmittag ein Team
internationaler Anwälte in meinem Namen ein Gesuch gegen den spanischen Staat
an den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gerichtet wegen der Verletzung
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Paktes
über bürgerliche und politische Rechte. Diese Instrumente erkennen ausdrücklich
das Recht auf Selbstbestimmung an. Insbesondere garantieren sie auch das Recht
auf politische Meinung und Teilnahme. In Spanien wurde formal kein
Ausnahmezustand erklärt, der die Aussetzung dieser Rechte oder ihre Aussetzung
nur in einem Teil des Staatsgebietes rechtfertigen würde; nichts rechtfertigt
die Ansammlung von Übergriffen, die der Staat in dieser ganzen Zeit verübt hat.
Jetzt ist die Zeit gekommen zu handeln, damit diese Übergriffe nicht unbestraft
bleiben. Wir Katalanen verdienen es, mit Respekt behandelt zu werden, und das
ist gegenwärtig nicht der Fall. Würde ist nicht verhandelbar, sie ist ganz einfach
zu achten. Möglicherweise erfordert es Opfer, ihr diese Achtung zu verschaffen,
aber kein Volk, das auf die Verteidigung seiner Würde bestanden hat, hat jemals
verloren. Manchmal hat es länger gedauert und manchmal kürzer, aber wer Geduld,
Ausdauer und Beharrlichkeit mitbrachte, hat immer gewonnen.
Heute habe ich den Präsidenten des katalanischen Parlaments
informiert, dass ich vorläufig meine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der
Generalitat zurückziehe. Ich habe ihn gebeten, schnellstmöglich eine neue
Gesprächsrunde mit den verschiedenen Fraktionen zu beginnen und einen neuen
Kandidaten für die Präsidentschaft der Regionalregierung zu bestimmen. Junts
per Catalunya wird den Abgeordneten Jordi Sánchez als Kandidaten vorschlagen.
Jordi ist Nummer Zwei unserer Liste, repräsentiert wie kein anderer die Werte
von Junts per Catalunya und ist ein Mann des Friedens, der zu Unrecht in einem
spanischen Gefängnis inhaftiert ist.
Diese Entscheidung treffe ich aus einem einzigen Grund.
Unter den gegenwärtigen Umständen können wir auf diese Weise am schnellsten
eine neue Regierung bilden. Eine Regierung, die den Auftrag des katalanischen
Volkes respektiert, dass unsere Institutionen auch weiterhin durch die
Unabhängigkeitsparteien regiert werden sollen und nicht durch den
Autoritarismus des Art. 155. Keine individuelle Motivation ist unentbehrlich
für unsere Bewegung, und ich weiß, dass vor uns ein langer Weg voller
Schwierigkeiten liegt. Am Ende dieses Weges erwartet uns aber ohne jeden
Zweifel der Sieg der Katalanen und Katalaninnen: Der Sieg Eurer Entscheidung,
und die Welt wird sie respektieren müssen.
Madrid bleibt nun keine Entschuldigung mehr, um ihre
Besatzungspolitik fortzusetzen. Madrid bleibt keine Entschuldigung mehr, unsere
Stimme zu ignorieren, sich über unsere Entscheidungen hinwegzusetzen oder
unserer Zukunft die Vision einer Kolonie aufzuzwingen. Es liegt auf der Hand,
dass diese Entscheidung nicht vollkommen die Wiederherstellung unserer
Autonomie garantiert, die der Autoritarismus des Staates schwer beschädigt hat.
Sie wird uns aber die Freiheit verschaffen, die nächste Phase auf dem Weg zur
Unabhängigkeit in Angriff zu nehmen und die Katalanische Republik von Orten aus
zu entfalten, die uns mehr Freiheit und Demokratie bieten als der derzeitige
spanische Staat und das gegenwärtige institutionelle System der überwachten
Freiheit.
Um eines klar festzuhalten: Ich werde nicht nachgeben. Ich
werde auf nichts verzichten. Ich werde mich nicht zurückziehen - weder vor dem
rechtswidrigen Handeln derer, die die Wahl verloren haben, noch vor der Willkür
jener, die bereit sind, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit zu verkaufen, um
die Einheit des Vaterlandes zu verteidigen. Ich habe volles Vertrauen, dass wir
siegen werden, dass ich eines Tages, ich hoffe bald, als freier Mann nach
Katalonien zurückkehren kann und dass auch unsere Institutionen die Freiheit
haben werden, den Kandidaten oder die Kandidatin zum Präsidenten zu bestimmen,
den die Mehrheit gewählt hat.
Wir werden unseren legalen und politischen Kampf bis zum
Ende fortsetzen. Denn wir haben das Recht dazu.
VISCA CATALUNYA!
aus dem Katalanischen von Claudia
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