Carles Puigdemont: "Katalonien wird nicht verstummen"

Auf Politico.eu wurde am 10.01.18 eine englischsprachige Stellungnahme vom Präsidenten der Generalität, Carles Puigdemont, mit dem Titel Catalonia won’t be silenced veröffentlicht. Hier ist unsere Übersetzung ins Deutsche. 

Katalonien wird nicht verstummen.

Trotz aller Bemühungen Madrids wächst die Unterstützung für die Unabhängigkeit weiter.

Der Versuch der spanischen Regierung, die Stimme des katalanischen Volkes zu unterdrücken, ist gescheitert.

Bei den Parlamentswahlen in Katalonien im vergangenen Monat haben die Unabhängigkeitsparteien die größte Unterstützung in ihrer Geschichte erhalten. Es gab 113.000 Stimmen mehr für die Unabhängigkeit als bei den vorangegangenen Parlamentswahlen im Jahr 2015 und 35.000 mehr als beim Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober. Darüber hinaus war es eine Rekordbeteiligung bei den Wahlen zum Parlament Kataloniens.

Die endgültige Zählung zeigt die Unterstützung der Unabhängigkeit mit 2.079.340 Stimmen (fast 180.000 Stimmen mehr als die des konstitutionellen Blocks). Nicht nur die Schwelle von 2 Millionen Stimmen wurde überschritten, sondern auch die Unabhängigkeitsstimmung hat sich gefestigt und wächst weiter.

Diese Zahlen dienen als Bestätigung des Ergebnisses des Referendums vom 1. Oktober, das unter äußerst widrigen Umständen stattfand. Bei dieser Gelegenheit hat die Propaganda der spanischen Regierung die Ergebnisse verunglimpft und argumentiert, dass es keine ausreichenden Gewährleistungen gegeben habe. Madrid behauptete, dass die Wahlen nicht offiziell waren, dass die Wahlbehörde nicht unabhängig war, dass die Parteien, die gegen die Unabhängigkeit waren, sich weigerten, daran teilzunehmen, und dass die Zählung betrügerische Praktiken verheimlichte.

Trotz der extremen Gewalt, mit der die Regierung versuchte, uns an der Stimmabgabe zu hindern, spiegelte das Ergebnis des Referendums, das ich später dem katalanischen Parlament übermittelte, eine wahre, rigorose und gültige Meinung wider. Die Wahl am 21. Dezember wurde von Madrid einberufen, mit seiner Erhebung, seiner Wahlbehörde, seiner Stimmzählung und seinen Spielregeln. Was war das Ergebnis? Mehr Stimmen für die Unabhängigkeit als am 1. Oktober.

Ich möchte diese Zahlen hervorheben, weil man sich auf sie und nicht auf Propaganda stützen und Entscheidungen treffen muss. Die Ergebnisse sind eine völlige Widerlegung der These, dass der spanische Staat die These aufrecht erhält und verbreitet: dass das Gefühl der Unabhängigkeits-bewegung abnimmt (falsch) und in der Minderheit ist (falsch).

Der Wunsch, frei von Madrid zu sein, wächst, er ist in der Mehrheit und hält trotz der enormen Schwierigkeiten, mit denen er konfrontiert ist, über die Zeit an.

Die Wahlergebnisse sind umso bedeutsamer, wenn wir uns daran erinnern, dass die Unabhängigkeitsbewegung ihre Anführer und Hauptkandidaten im Gefängnis und im Exil findet und diese aus dem Spiel gebracht wurden sowie dass sie von einem Staatsapparat als gefährliche Ideologie behandelt wird, ein Staatsapparat der keine Skrupel hat, Lehrer, die politische Debatten in Sekundarschulen anregten, zu verhören, die Sprache der Journalisten zu zensieren, Transparente mit dem Wort "Demokratie" zu verbieten und die Verbreitung von gelben Bändern, welche die Forderung nach Freilassung von politischen Gefangenen symbolisieren, zu verhindern.

Es sei an die großen wirtschaftlichen und materiellen Ressourcen erinnert, über die die drei unionistischen Parteien bei diesen Wahlen verfügten. Dazu kommt noch die beschämende Voreingenommenheit der überwiegenden Mehrheit der spanischen Medien, die jeden Anschein von Neutralität beiseite geschoben und ihre Bemühungen - ohne jede Gewissensbisse - der Förderung der Kandidaten von Ciudadanos, der Sozialistischen Partei und der Volkspartei gewidmet haben.

Unter solchen Bedingungen - Teilnahme an Wahlkampfveranstaltungen aus Brüssel und Briefe hinter Gittern - ist der Unabhängigkeitssieg weit mehr als nur ein Wahlerfolg. Es ist die Bestätigung dafür, dass es sich um eine sehr mächtige Bewegung handelt, die in der Lage ist, den schrecklichen Nöten standzuhalten.

Das erfordert Aufmerksamkeit und Respekt - weder von der spanischen Regierung noch von der Europäischen Union wurden diese angeboten. Der Wunsch nach der Unabhängigkeit Kataloniens ist ein echtes Phänomen, das die europäischen Bürgerinnen und Bürger einbezieht und sich in einer makellosen demokratischen und friedlichen Weise ausdrückt.

Respekt bedeutet, die Realität so anzuerkennen, wie sie ist, und nicht so, wie Madrid es sich wünscht. Wenn wir damit beginnen, können enorme Fortschritte erzielt werden. Aber die Strategie der Belästigung, Demütigung und Propaganda muss aufgegeben werden. Und es gilt, die Entscheidungen der Bürger gewissenhaft zu respektieren.

Seit dem 21. Dezember denkt und handelt Premierminister Rajoy genauso wie zuvor, als ob ihm die Ergebnisse egal wären, denn sie waren nicht das, was er geplant hatte.

Knapp drei Wochen nach der Wahl zögert die spanische Regierung, die Ergebnisse anzuerkennen und die Niederlage ihrer repressiven Strategie zu akzeptieren. Sie hält die Aussetzung der Autonomie, die Entlassung der katalanischen Regierung und die Maßnahmen der absoluten Einmischung in unsere Selbstverwaltung in Kraft.

Sie ist nicht in der Lage, der Welt zu erklären, warum es notwendig ist, Politiker zu inhaftieren und zu verfolgen, die genau das getan haben, wozu sie sich vor den Wählern und dem Parlament verpflichtet haben. Sie hat keinen einzigen Dialogkanal mit der parlamentarischen Mehrheit eröffnet, der die derzeitige Regierung der Generalitat unterstützt, und sie hat keine Anzeichen dafür gegeben, dass sie die ernsthafte Richtigstellung der Wahlurnen verstanden hat.

Einige der europäischen Staats- und Regierungschefs werden vielleicht weiterhin schweigen angesichts einer Regierung, die anscheinend das Ergebnis einer Wahl nicht akzeptiert. Wir sind nicht mehr überrascht, aber wir sind enttäuscht. Sich bedingungslos mit der spanischen Regierung zu verbünden, hilft nicht, ein Problem zu lösen, das real ist, das eskaliert und das nicht mit Schlagstöcken, Inhaftierungen, Vertriebenen und Verboten verschwindet.

Verhandlungen sind kein Zeichen von Schwäche oder Feigheit, sondern vielmehr eine große Stärke der Demokratie. In der spanischen politischen Kultur haben Gewalt und Zwang zu viel dominiert, und das verwirrt wahrscheinlich immer noch die Köpfe der Elite (Politiker und Medien).

Aber es ist höchste Zeit, dass ihnen jemand sagt, dass dies nicht der richtige Weg ist, dass sie die Situation nur vergiften und eine demokratische Lösung komplizierter machen. Madrid muss begreiflich gemacht werden, dass Dialog, Verhandlung und Einigung über die künftigen Beziehungen, die wir Katalanen mit Spanien anstreben, notwendig sind - eine Beziehung, die auf Respekt, Anerkennung, Zusammenarbeit und Gleichheit beruht.


aus dem Englischen übersetzt von [k]

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